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NEUER SÄCHSISCHER KUNSTVEREIN

Die Jahre von 1990 bis 2008

Ulrike Scheffler (Geschäftsführerin) erinnert sich

Dr. Bernd Zimmermann, Direktor des Dresdner Hofes, hatte in der Münzgasse ein Büro zur Verfügung gestellt und Heidi Pfund übernahm in diesen Tagen den schweren Job der Gründungsphase. Ein Telefon gab es zu dieser Zeit noch nicht. Für Sponsoren und Unterstützer wie Lothar Späth und Dr. Henning Voscherau, die schnelle Hilfe anboten, war das kaum vorstellbar.

Es begann im Februar 1990 mit einer Ausschreibung in einer Dresdner Tageszeitung. Darin wurde nach einem Geschäftsführer für den Neuen Sächsischen Kunstverein gesucht. Aus 120 Bewerbern wurden acht für ein Gespräch ausgewählt, das im Büro von Dr. Werner Schmidt in den Staatlichen Kunstsammlungen stattfand. Professor Ludwig Güttler, er hatte eine Art Fragekatalog vorbereitet, wurde von weiteren Gründungsmitgliedern wie Gunther Emmerlich, Peter Makolies, Max Uhlig und Heidrun Müller unterstützt. Noch am späten Abend wurde mir die frohe Botschaft mitgeteilt, dass ich die künftige Geschäftsführerin sein soll. So fing alles an.

Am 29. April 1990 war es dann so weit, in der Semperoper fand die Gründungsveranstaltung unter Beteiligung einer großen Öffentlichkeit statt. Die sich im Dresdner Hof anschließende Auktion brachte das erste Geld für den Kunstverein ein. Und auf den ersten Computer mussten wir nicht lange warten. Professor Gerd Klemm, ein Kunstsammler und Mäzen aus Berlin, stattete uns bereits ein Jahr später damit aus. Den Verein neben seinen inhaltlichen Aufgaben geschäftsfähig zu gestalten, das war ab Juli 1990 meine Aufgabe. Unterstützung erhielt ich durch Johannes Kühl, unserem ersten Vorsitzenden, der uns in der Gründungsphase mit fachlicher Kompetenz und großem Engagement begleitete.

Die Eintragung in das Vereinsregister als Neuer Sächsischer Kunstverein verdeutlichte, dass dieser nicht in der juristischen Nachfolge des Sächsischen Kunstvereins stand. Neu war auch die gewählte Struktur des Vereins. Neben der Bildenden Kunst sollten sich auch Architektur, Literatur, Musik, Theater und Tanz etablieren. Für die Dräger-Stiftung war die Gründung Anlass, dem Verein 1 Mio. DM zur „Rekonstruktion des Sächsischen Kunstvereins“ zu spenden. Über ein Drittel der Spende wurde in den Wiederaufbau des von Constantin Lipsius erbauten Gebäudes investiert, in dem der Sächsische Kunstverein von 1895 bis 1945 sein Domizil gehabt hatte. Der andere Teil des Geldes wurde in einer unselbständigen Stiftung angelegt. Doch dieser Geldsegen wurde manchmal auch zum Fluch, denn unser Verein stand in dem Ruf, finanziell bestens ausgestattet und somit nicht unterstützungswürdig zu sein. Die Zweckgebundenheit der Mittel wurde immer gern übersehen.

Nachdem 1991 mit provisorischen Sicherungsmaßnahmen die Ruine an der Brühlschen Terrasse begehbar eingerüstet wurde, konnte unser Verein eine Woche lang den staunenden Besuchern das „1. Dresdner Kunstfest – Ein Prolog“ präsentieren. Zum ersten Mal nach 1945 wurde die „Zitronenpresse“ von innen angestrahlt. Mit ihrer Leuchtkraft wollten wir ein Zeichen setzen. Zeitgenössische Kunst sollte an diesem geschichtsträchtigen Ort wieder die ihr gebührende Aufmerksamkeit erhalten. Unser Bestreben dafür war über viele Jahre ungebrochen.

Leider wurden unsere Bemühungen von Seiten der staatlichen Einrichtungen nicht unterstützt und unser Engagement nie gewürdigt. Weitere Baumaßnahmen am Georg-Treu-Platz und der Brühlschen Terrasse führten dazu, dass wir uns für weitere Kunstfeste, die mit zu den größten Herausforderungen des Vereins gehörten, andere Orte suchen mussten. Ich erinnere mich an die fast unüberwindbare „Nutzbarmachung“ der ehemaligen Kasernen an der Stauffenbergallee, die Konzerte unter den Brückenbögen der Marienbrücke und an das damals noch ziemlich ruinöse Festspielhausgelände Hellerau. Im Januar 1992 konnte der Verein im Torhaus von Schloss Albrechtsberg ein größeres Büro beziehen, doch eigene Ausstellungsräume gab es auch an diesem repräsentativen Ort nicht.

Das verlangte ein intelligentes Management und konnte oft nur in der Gemeinsamkeit mit anderen Organisationen erfolgreich geplant und durchgeführt werden. Konkret erwuchs dadurch z.B. die Zusammenarbeit mit dem Bereich Neuere Deutsche Literatur an der TU Dresden. Unter der Thematik „Geboren in Sachsen - Weggegangen aus der DDR“ erzählten 1993 Autoren wie Wolfgang Hegewald, Erich Loest und Guntram Vesper über ihr literarisches Exil in Deutschland. Architekturstudenten profitierten 1995 vom Workshop „ZEIT WEISE“, indem wir sie mit international bekannten Architekten aus Deutschland, den Niederlanden, Spanien, Russland und England im art òtel mehrere Tage gemeinsam arbeiten ließen.



Ausstellungen, die auch über Dresden hinaus eine große Resonanz fanden, wurden im Stadtmuseum, in der Galerie Neue Zeit, im Leonhardi Museum und in der Galerie Rähnitzgasse präsentiert. Nicht nur Günter Grass war mit Zeichnungen und Grafiken unser Gast; eine Aufsehen erregende Ausstellung des Sammlers und Mäzens Serge Sabarsky ermöglichte uns bereits 1991, die Sammlung „Grafik des deutschen Expressionismus“ in Dresden zugängig zu machen.

Zu den bestbesuchten Ausstellungen in den 90er Jahren gehörte 1997 die von Sigrid Walther kuratierte Präsentation mit Werken von Karl Albiker im Georgenbau des Dresdner Schlosses. In der Galerie an der Akademiestrasse waren es 2006 Aquarelle und Gemälde von Theodor Rosenhauer, die die Besucher wie ein Magnet anzogen.

Dass die Fama auf der Kuppel des Lipsius-Gebäudes von der Dresdner Kunstschmiede Schlegel restauriert werden konnte, gehörte zu den glücklichen Zufällen in meiner Geschäftstätigkeit. Peter Dussmann, der sich mit seiner Stiftung „Ascholdinger Nachmittag“ für den Erhalt historischer Gebäude einsetzte, fand unseren Antrag unterstützenswert und stellte die dafür erforderlichen Gelder bereit. So konnte im Juni 1998 die Figur wieder ihren Platz auf der „Zitronenpresse“ einnehmen. „fama“, eine Zeitschrift gleichen Namens, wurde von Steffen und Kerstin Mönnich (designXpress) gestaltet und hergestellt.Sie begleitete und repräsentierte in der Zeit von 1992 bis 1996 in hoher Qualität die vielgestaltige Arbeit.

Seit der Gründung unseres Vereins stand uns jährlich einmal die Nutzung der Semperoper für eine Matinee zur Verfügung. Dr. Reiner Zimmermann war federführend an den einmaligen musikalischen Aufführungen beteiligt.

Eine Aktion von internationalem Rang und von kulturpolitisch kaum vergleichbarer Bedeutung war 1995 die Anbringung des Megaposters an der Brühlschen Terrasse. „Zwei Kerzen“, ein Motiv von Gerhard Richter, erinnerte an die Zerstörung Dresdens vor 50 Jahren.

Die Zustimmung des weltberühmten Künstlers zu erhalten, war ein Verdienst von Werner Schmidt. Mit diesen beiden Kerzen sollte symbolhaft eine Zeit des Gedenkens und der Trauer, aber auch ein Zeichen für den friedlichen Aufbruch gesetzt werden.

Mit dem Zentrum für zeitgenössische Musik wurde ab 1993 unter der Leitung von Jürgen Wirrmann die von allen Generationen begeistert aufgenommene Reihe „Park der Sinne“ ins Leben gerufen und erst 2003 durch den Umzug des Zentrums nach Hellerau beendet. Der „Fond für öffentliche Zwecke“, der von 1994 bis 2004 järhlich den Kauf zeitgenössischer Arbeiten ausgewählter Künstler ermöglichte, basierte auf einer Spende der Künstler Veit Hofmann und Max Uhlig. Die Schenkung der Arbeiten durch unseren Verein an das Kupferstich Kabinett stellte eine gern gesehene Bereicherung der dort vorhandenen Sammlung dar und sollte später einmal in einer Sonderausstellung gezeigt werden.

Nicht zu vergessen sind die Bildhauersymposien, die ab 1996 Bildhauer aus ganz Deutschland im Sandsteinbruch  Reinhardtsdorf (Sächsische Schweiz) zusammenführten. Professor Helmut Heinze begleitete diese mit seinen Erfahrungen.

Nach New York führte uns die erste Kunstreise. Auf Grund des großen Interesses folgten weitere Reisen in die Schweiz, Italien, Spanien, Frankreich, Niederlande, aber auch deutsche Städte wie München, Münster, Hamburg und Bonn waren begehrte Reiseziele und förderten den Zusammenhalt der Mitglieder, an dem mir immer sehr gelegen war.

Mit der Eröffnung der Geschäftsstelle und Galerie im Dezember 1999 im Gebäude der Landeszentralbank, direkt neben dem Kurländer Palais gelegen, war nach jahrelangem Suchen endlich ein Ort gefunden, der für den Kunstverein zu einer Heimstatt werden sollte. Alfred Post (Kanzler der Technischen Universität Dresden), unser Vereinsvorsitzender, hatte uns beim Auffinden eigener Ausstellungsräume über viele Jahre motiviert und in selbstloser Art und Weise dabei unterstützt.

Wir hatten unser Ziel erreicht. Jetzt nutzten wir die lang ersehnte Gelegenheit, ein Zusammenwirken von Ausstellungen, Lesungen und Konzerten nach unseren Möglichkeiten und Vorstellungen zu planen. Die Galerie gestaltete sich auch dank des Engagements von Karin Weber zu einer Begegnungsstätte für Kunstinteressierte. Mit Hanne Wandtke wurde die Tanzreihe „PADEDÖH“ in Zusammenarbeit mit der Palucca Schule ins Leben gerufen.

„HIRNGEFUNKEL“, initiiert von Thomas Rosenlöcher, bescherte uns großartige, oft auch preisgekrönte Autoren. Die Konzertreihe „ERSTBEGEGNUNG“ war Chefsache von Gunter Baby Sommer. Hinzu kamen Lesungen mit dem Generalkonsulat der Schweiz, die Vergabe der Architektur-Kunstpreise, verschiedene Auktionen. Kinder aus Dresdner Kindereinrichtungen wurden eingeladen und spielerisch an zeitgenössische bildende Kunst herangeführt. Silvesterpartys, Gesprächsforen und Konzerte im Innenhof des Bankareals bereicherten das lebendige Leben an diesem zentrumsnahen Ort. Mit jedem Projekt, auch mit Ausstellungen im Kleinen Haus, wuchs das öffentliche Interesse. Der Kunstverein entwickelte sich zu einer festen Größe in der Stadt Dresden.




Für mich war diese Zeit, die ich mitgestaltet habe, etwas ganz Besonderes, Einmaliges, an das ich mich sehr gern erinnere und mich mit Freunden, die ich in dieser Zeit hinzugewonnen habe, noch heute gern über das Erlebte austausche.

Quelle: 
Broschüre | Neuer Sächsischer Kunstverein – eine Kulturgeschichte 1990 - 2015 
Herausgeber | Neuer Sächsischer Kunstverein e.V. | 2015