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SÄCHSISCHER KUNSTVEREIN

Die Jahre von 1828 bis 1946

Die Gründung erfolgte in einer Zeit, da in deutschen Landen Kunstvereine wie Pilze aus dem Boden schossen. Das kulturelle Bild der bürgerlichen Gesellschaft im 19. Jahrhundert war geprägt durch die Existenz zahlloser Vereine, in denen bürgerliche und adlige Schichten differenzierte politische, kulturelle und Bildungsinteressen zu realisieren trachteten. Die Kunstvereine waren ein Sammelbecken aller an bildender Kunst interessierten Kreise. Zur Geburtsstunde des Sächsischen Kunstvereins lesen wir im „Erinnerungsblatt zur Feier des fünfzigjährigen Stiftungsfestes“ von 1878:
„Am 7. April 1828 war eine Anzahl von Jüngern und Freunden der Kunst im Gasthause zur „Stadt Wien“ in Neustadt Dresden versammelt, um anlässlich des dreihundertjährigen Todestages Albrecht Dürers ein Fest der Erinnerung an den großen Meister zu begehen. Bei dieser Feier kam die vorher schon mehrfach angeregte Idee der Gründung eines Vereins von Künstlern und Kunstfreunden zur Förderung der bildenden Künste zur Aussprache und sofortigen Ausführung.“
Mitglied im Sächsischen Kunstverein konnte jeder werden, der willens und in der Lage war, den geforderten Jahresbeitrag von fünf Talern zu bezahlen, d.h. eine Aktie zu erwerben. Wohlhabendere Mitglieder leisteten sich auch mehrere Aktien. Als Zweck des Vereins nennen die Statuten die „Beförderung der bildenden Künste und Belebung der Teilnahme an denselben.
„Der Verein will diesen Zweck durch Aufmunterung der deutschen Künstler, besonders
der vaterländischen (sächsischen) erreichen, daneben aber auch zur Erleichterung jeder Art von Mitteilungen und Besprechungen über Gegenstände der bildenden Künste, namentlich durch Ausstellungen neuer Kunstwerke beitragen.“
Durch Mitgliedsbeiträge und Spenden war der Kunstverein in der Lage, Kunstwerke anzukaufen oder in Auftrag zu geben. In einem vom Kunstverein gemieteten Vereinslokal konnten die angekauften Werke ausgestellt, Vorträge, Diskussionen und Versammlungen abgehalten werden. Bei seiner Gründung zählte der Kunstverein 80 unterzeichnete Aktien, fünf Jahre später, 1833, waren es 1.300.

Die konstituierende Versammlung wählte den im Kulturleben der Stadt bereits bekannten Johann Gottlob von Quandt (1787-1858) zum Vorsitzenden. Er leitete den Verein bis zu seinem Rücktritt 1833. Er war ein glühender Verehrer und Briefpartner Goethes und erreichte, dass Goethe samt den Weimarer Kunstfreunden dem Sächsischen Kunstverein als Mitglied beitrat, was jubelnde Begeisterung auslöste. Er blieb Mitglied bis zu seinem Tode 1832.

Das erste zeitweilige Lokal des Vereins befand sich in der Gründungsphase in einem Saal der Kunstakademie, der „Albina“, dann zwischenzeitlich im Hause des Kunsthändlers Weiss am Altmarkt, dann wieder in der „Albina“. 1829 hatte der Verein bereits 22 Kunstwerke angekauft. Diese wurden in der Generalversammlung zum Jahresende unter den Mitgliedern verlost, wobei die Aktien-Nummer gleichzeitig als Los-Nummer diente. Zuvor wurden von den Arbeiten Kupferstiche angefertigt und zu einer Mappe, der „Bilderchronik“, gebunden und als Jahresgabe jedem Mitglied ausgehändigt.

Nach dem Rücktritt Johann Gottlob von Quandts wählte die Generalversammlung 1833 Carl Gustav Carus (1789-1869) als Vorsitzenden. Er leitete den Verein zehn Jahre. Während seiner Amtszeit wuchs der Verein von 1.300 auf 1.800 Mitglieder. Im „Lahmannschen Haus“ residierte der Verein auf der Wallstraße 18 bis 1848 mit Ausstellungen, Sonntagsversammlungen und einer Handbibliothek. Der Verdienst von Carus war eine größere Öffnung nach außen. Es wurden Beziehungen zu Kunst und Kunst-vereinen in anderen deutschen Landen angeregt. Wie anfangs Quandt, so hatte sich auch Carus das Ziel gesetzt, qualitätsvolle Kunst zu fördern. Als Carus 1842 von seinem Amt zurücktrat, zählte der Verein 1.893 Mitglieder, verstreut über halb Europa. 1842 konnte er in die Statuten noch den Gedanken zur Bildung eines „Fonds für öffentliche Zwecke“ einbringen. In den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts bis zum Maiaufstand 1849 durchlebte Dresden geistig-kulturell und politisch eine bedeutende Periode. Danach versank Dresden im Provinzialismus. Bedeutende Persönlichkeiten flohen, wie Wagner, Semper, Bakunin.

Nachfolger von Carus war von 1852 bis 1854 der Archäologe und Leiter der Antikensammlung Hofrat Dr. Schulz. Die gravierendste Neuerung im Statut war die von Carus angeregte Einrichtung eines „Fonds für öffentliche Zwecke“. Fünf Prozent der für Kunstkäufe zur Verfügung stehenden Mittel sollten für Stiftungen zum bildnerischen Schmuck von öffentlichen Gebäuden, Kirchen u.ä. reserviert werden.

Ungeachtet der Stürme von Revolution und Depression ging das Vereinsleben seinen Gang. Die Beziehungen der Kunstvereine untereinander waren nach wie vor lebhaft. Ab 1855 folgten einige kritische Jahre, gekennzeichnet durch häufige Vorstandswechsel, finanzielle Unstimmigkeiten und Mitgliederschwund. Ab 1862 leitete der Handelskammerpräsident Rülke für zehn Jahre den Verein.

Zum Jahrhundertende bildete sich der private Kunstmarkt heraus. Die ersten privaten Kunstsalons (Richter, Arnold) begannen im Kulturleben der Stadt Dresden eine wichtige Rolle zu spielen. In dieser Zeit wählte der Sächsische Kunstverein den vormaligen Oberbürgermeister Dr. Alfred Stübel (1827-1895) zu seinem Vorsitzenden. In seiner Amtszeit wuchs die Mitgliederzahl auf 2.700 an. Der König hatte nach wie vor das Patronat und subventionierte den Verein mit 600 Mark jährlich. Ab 1879 unterstützte darüber hinaus die Stadtverwaltung den Verein mit 500 Mark Jahreszuschuss.
1875 wurde eine Ausstellungskommission gebildet. Völlig neu war 1892 die im Statut fixierte Erlaubnis zum Erwerb oder zur Veräußerung von Grundstücken zu Vereinszwecken und zur Aufnahme von Darlehen und Ansammlung von Kapitalvermögen, d.h. die Anlage eines Stammkapitals. Im Hintergrund stand dabei der Wunsch nach einem eigenen Vereinsgebäude.
1893 wurde Otto Graf Vitzthum von Eichstädt (1829-1917) zum neuen Vorsitzenden gewählt. Der 1893 vollendete Gebäudekomplex der Kunstakademie mit dem östlich angeschlossenen prachtvollen Ausstellungsgebäude bescherte dem Kunstverein (durch Erlaubnis des Königs und einen Vertrag mit dem Ministerium) ein neues Domizil und großzügigere Möglichkeiten seines öffentlichen Wirkens. Der Kunstverein beteiligte sich mit 12.000 Mark an der aufwendigen bildkünstlerischen Ausschmückung des Gebäudes, erhielt darin Geschäftsräume und konnte die Ausstellungsräume für seine Ausstellungen das ganze Jahr über nutzen (mit Ausnahme der jährlichen Akademieausstellungen im Sommer).

Das öffentliche Interesse stieg nach dem Einzug in das neue Gebäude und dank der Kooperation mit dem privaten Kunsthandel spürbar an. Nach dem Rücktritt von Graf Vitzthum von Eckstein 1914 wurde der Ministerialdirektor Geh. Rat Dr. Scheicher Vorsitzender, der bis 1920 im Amt blieb und den Kunstverein durch die Kriegs- und Nachkriegszeit führte. Die Mitgliederzahlen blieben konstant bei ca. 2.400.

Der Sächsische Kunstverein reagierte zurückhaltend auf das Neue, war aber bestrebt, mit der Zeit zu gehen. Im Jahresbericht 1919 werden erstmalig die Expressionisten erwähnt. Die Sezession Gruppe 11919“ kam 1924 in die geheiligten Hallen des Kunstvereins. Dagegen reagierte der Verein sehr schnell auf die neu ins Leben getretene „Neue Sachlichkeit“. Aus dem „Fond für öffentliche Zwecke“ wurden Museen und Sammlungen beschenkt. 1929 erhielt der „Arme-Leute-Maler“ Hans Grundig eine Ausstellung und es wurde ihm der Illgen-Preis verliehen. Es tobte in der Presse bereits der Krieg gegen den „Kulturbolschewismus“.

1931 präsentierte der Sächsische Kunstverein eine große Barlach-Ausstellung. Dieser gehörte bereits zu den Künstlern, die diffamierenden Angriffen durch nationalsozialistische Presseartikel ausgesetzt waren. Die letzte große Unternehmung vor dem Machtantritt der Nazis war 1932 zusammen mit der Sächsischen Landesbibliothek und dem Kupferstichkabinett eine große Goetheausstellung anlässlich dessen 100. Todestages.

Ende September 1932 beherbergte der Kunstverein die erste Ausstellung der „Dresdner Sezession 1932“, an der etliche Künstler teilnahmen, die ein Jahr später im Lichthof des neuen Rathauses als „entartet“ gebrandmarkt wurden („Spiegelbilder des Zerfalls“).
1934 lösten die Nazis alle Künstlervereinigungen und –verbände auf und organisierten die Künstler in dem unter der Führung zuverlässiger Parteigenossen stehenden Reichsverband bildender Künstler. In der Leitung des Kunstvereins wirkte sich die Gleichschaltungspolitik erst nach und nach aus. Die Verschärfung des Diktaturkurses ab 1937 führte dazu, dass ab 1938 ein offizieller Nazi-Amtsträger Oberbürgermeister Ernst Zörner den Vorsitz übernahm. Ihm folgte 1942 der Leiter des Volksbildungsministeriums Arthur Göpfert.

Häufiger als vor 1933 wurden nun Ausstellungen zu historischen Kunstepochen gezeigt. Geschäftsführer des Sächsischen Kunstvereins während der finsteren Jahre bis zum bitteren Ende war ein Herr Voss, unterstützt von seiner Frau, die beide auch zum Freundeskreis um Ida Bienert gehörten und mit Fritz Löffler befreundet waren, der 1934 vom Stadtmuseum entlassen worden war.
Die Zerstörung Dresdens, die auch das Kunstvereinsgebäude schwer beschädigte, der Untergang Nazideutschlands und die sowjetische Besatzung Sachsens besiegelten das Schicksal des Sächsischen Kunstvereins. Dieser „bürgerliche“ Verein wurde nach 1945 nicht wieder zugelassen.

Ansicht des Lipsiusbaus an der Kunstakademie
lipsius_gebaeude_dresden-208e834c 1828 – 1946

Quelle: 
Auszüge aus der Broschüre „Geschichte des Sächsischen Kunstvereins 1828 – 1946“
Herausgeber | Neuer Sächsischer Kunstverein e.V. | 1994
Autorin | Dr. phil. habil. Brunhilde Köhler